Zehn Autorinnen und Autoren sind für die zweite Auflage des landesweiten Literaturprojektes stadt.land.text NRW ausgewählt worden. Sie erhalten je ein Stipendium in Höhe von 7.200 Euro. Ab 1. März 2020 werden die Stipendiatinnen und Stipendiaten vier Monate lang ihre Region erforschen und Eindrücke zu Alltag und Besonderheiten der kulturellen Vielfalt Nordrhein-Westfalens mit literarisch-künstlerischen Mitteln verarbeiten.
„Das Residenzprojekt stadt.land.text NRW ist auch in der zweiten Auflage auf großes Interesse bei Autorinnen und Autoren gestoßen. Ich freue mich sehr, dass wir wieder zehn vielversprechende Regionenschreiberinnen und -schreiber gefunden haben, die ihren ganz eigenen Blick auf Nordrhein-Westfalen werfen und in ihren Texten die unterschiedlichen Facetten der Kulturregionen auf literarische Weise lebendig werden lassen,“ sagte Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen.
Folgende zehn Autorinnen und Autoren wurden für das Literaturprojekt stadt.land.text NRW ausgewählt:
- Region Aachen: Pascal Bovée
- Bergisches Land: Tilmann Strasser
- Hellweg: Annika Stadler
- Münsterland: Charlotte Krafft
- Niederrhein: Carla Kaspari
- Ostwestfalen-Lippe: Yannic Federer
- Rheinschiene: Larissa Hieber
- Ruhrgebiet: „Brandstifter“
- Sauerland: Justine Z. Bauer
- Südwestfalen: Barbara Peveling
Die Stipendiatinnen und Stipendiaten werden in den zehn Kulturregionen Nordrhein-Westfalens – Aachen, Bergisches Land, Hellweg, Münsterland, Niederrhein, Ostwestfalen-Lippe, Rheinschiene, Ruhrgebiet, Sauerland und Südwestfalen – unterwegs sein und ihre Texte auf dem Blog stadt.land.text NRW 2020 (www.stadt-land-text.de) sowie bei Lesungen präsentieren. Die öffentliche Abschlussveranstaltung findet am 22. Juni 2020 im Weltkunstzimmer Düsseldorf statt.
Das Projekt stadt.land.text NRW geht zurück auf eine Idee der Kulturregion Aachen, die das Format erprobt und im Jahr 2017 erstmals für zehn Kulturregionen in Nordrhein-Westfalen federführend umsetzte. 2020 liegt die Programmleitung bei der Region Niederrhein. Das Projekt wird durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft und die Kulturbüros der Regionalen Kulturpolitik gefördert.
Anlage Portraits und Projekte der ausgewählten Autorinnen und Autoren
Region Aachen:
Pascal Bovée (geb. 1980) lebt als Autor, Übersetzer für Niederländisch in Hildesheim. Für seine interaktiven künstlerischen Arbeiten und Hörspiele wurde er mehrmals ausgezeichnet. Zu seinen vielfältigen Wirkungsstätten zählen prominente Produktionshäuser: das Choreographische Zentrum NRW PACT Zollverein, das Europäische Zentrum der Künste Hellerau in Dresden, der Bayerische und der Südwestdeutsche Rundfunk sowie das Schweizer Radio und Fernsehen. Im Rahmen seiner Residenz möchte Pascal Bovée eine literarische Landkarte der Region Aachen erstellen und dafür Miniaturen anfertigen, „die unterschiedliche mediale Formate nutzen: radiophone Skizzen […], Bild-Text-Reportagen sowie lyrische Elemente.“
Bergisches Land:
Tilman Strasser (geb. 1984) hat nach seinem Studium in Hildesheim für verschiedene Film- und Fernsehproduktionsfirmen als Storyliner und Entwickler gearbeitet. Heute ist er als freier Autor und Literaturvermittler in Köln zu Hause. Strassers Tor zum Bergischen Land sind die Menschen. Auf Erkundungsreisen sollen Porträts von „den Leuten“ der Region entstehen. Doch Vorsicht: Manchen will er „etwas andichten“, manches „schräg beleuchten, sodass ein neuer Blickwinkel entsteht“ und manche Porträts gar „komplett erfinden“ – möglichst so, sagt er, dass man es nicht merkt …
Hellweg:
Annika Stadler (geb. 1984) lebt und arbeitet in Berlin und Estland. Als Dramaturgin, Autorin und Performerin war sie u. a. an den Sophiensaelen Berlin, an der Volksbühne Berlin, am Maxim-Gorki-Theater, am Schauspiel Stuttgart und am Jungen Theater Göttingen aktiv. Von 2015 bis 2018 arbeitete sie als Dramaturgin und Regisseurin am Schlosstheater Moers. Ist sie irgendwo zu Besuch, geht sie „zuerst in den Botanischen Garten oder den nächsten Obi.“ Am Hellweg will sie ein „Museum der unbrauchbaren Dinge“ errichten, das Geschichten von den Leichen im Keller erzählt, oder als Spaziergängerin den Grenzen nachspähen, an denen sich urbane Räume und idyllische Natur begegnen. „Nie habe ich mehr Flieder und Brombeeren gesammelt als am Rand von Oberhausen.“
Münsterland:
Charlotte Krafft (geb. 1991) studierte Deutsche Literatur in Berlin und Literarisches Schreiben am Literaturinstitut in Leipzig. Mit drei befreundeten Autoren gründete sie die Rich Kids of Literature, ein Kollektiv, das durch öffentliche Events und Aktionen neue Zielgruppen erschließt und junge Autorinnen und Autoren mit interessanten literarischen Ansätzen fördert. Als Tochter zweier Landschaftsarchitekten mit einem Faible für Science-Fiction, Horror und Fantastik fragt sich Charlotte Krafft: „Warum beziehen und bezogen sich fast alle Zukunftsvisionen immer auf urbane Ballungszentren, und warum spielt die Entwicklung von Orten und Landschaften mit Denkmalwert kaum je eine Rolle darin? Im Münsterland möchte sie der Frage nachgehen, „ob der ländliche Raum, das Dorf, die Kleinstadt nicht gerade wegen seiner Vernachlässigung in der spekulativen Literatur auch als unbeschriebener Hoffnungsraum dienen könnte“.
Niederrhein:
Carla Kaspari (geb. 1991) ist durch und durch Städterin, hat in Dortmund, Bonn, Köln und Paris gelebt und studiert (Musikwissenschaft und Germanistik). Seit 2013 lebt sie in Köln, wo sie als freie Autorin, Texterin, Übersetzerin und DJ arbeitet. Für das Literatur- und Kulturmagazin „metamorphosen“ verfasst sie die Kolumne „nelke-schneewittchen & al-falfa“, die auf Twitter vom ZEIT-Feuilleton als “einzig relevante Kolumne in einer deutschsprachigen Zeitschrift” geadelt wurde. Am Niederrhein möchte Carla Kaspari vier Monate lang in einem multimedialen Blog – Texte in Kombination mit Bildern, Interview-Podcasts und Videos – erkunden, was es bedeutet, die Stadt für eine gewisse Zeit wirklich hinter sich zu lassen.
Ostwestfalen-Lippe:
Yannic Han Biao Federer (geb. 1986) hat in Bonn, Florenz und Oxford Germanistik und Romanistik studiert. Er promoviert aktuell in Bonn und arbeitet im Literaturhaus Köln. Für seine literarischen Texte erhielt er zahlreiche Preise: u.a. das Rolf-Dieter-Brinkmann-Stipendium (2017), den Harder Literaturpreis und den Hauptpreis der Wuppertaler Literatur Biennale (2018). Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt wurde ihm der 3sat-Preis zugesprochen. 2019 erschien sein Debütroman „Und alles wie aus Pappmaché“ bei Suhrkamp. Geleitet von der Frage, wie Peripherie und Zentrum ineinanderfließen, will Yannic Federer die Kulturregion gezielt abseits der Stadtzentren abschreiten und dabei fotografisch und textlich Notizen anlegen, die in wöchentliche Blog-Berichte und tägliche Instagram-Storys einfließen.
Rheinschiene:
Larissa Hieber (geb. 1993) hat Wirtschaftswissenschaften, Theologie und Germanistik in Stuttgart studiert. Für ihre literarischen Arbeiten wurde sie vielfach ausgezeichnet: u. a. mit dem Lyrix-Preis des Deutschlandfunks und dem StoryApp-Preis des Münchner Kurzgeschichtenwettbewerbs. Ihr Debütroman wurde vom Förderkreis deutscher Schriftsteller in Baden-Württemberg gefördert. In der Rhein-schiene will sie die Möglichkeit ergreifen, den scheinbar „ungeliebten ‚All-Tag‘ einmal genauer unter die (schriftstellerische) Lupe und unter die (Foto-)Linse zu nehmen.“ In einem Fototextbuch möchte sie ausgewählte Bewohnerinnen und Bewohner der Region an Orten treffen, die für sie Alltag darstellen, um mit ihnen darüber zu reflektieren, was der Alltag für sie bedeutet. Der Clou: Die Essenzen dieser Reflexionen sollen zu Ausgangspunkten für die Gespräche mit der jeweils folgenden Person werden, sodass die Menschen nicht nur mit ihr, sondern durch sie auch miteinander sprechen.
Ruhrgebiet:
„Brandstifter“ lebt in Mainz und ist ein international aktiver interdisziplinärer, konzeptueller Aktionskünstler, Autor und Musiker. Seine vielfach ausgezeichneten Arbeiten decken ein breites Spektrum ab: Collage, Copy Art, Interventionen im öffentlichen Raum, Konkrete Poesie, Buchkunst, Lyrik, experimentelle Musik, Soundpoetry, Lesung und Performance. Er ist Herausgeber der Collaborations Artists’ Books Reihe „anti-podes“ und der Fundzettelzeitschrift „Lost & Found“ sowie erster Vorsitzender des Mainzer Kunstvereins Walpodenstraße 21 e.V. in der Wal-podenakademie. 2020 möchte Brandstifter als Regionsschreiber verlorene Botschaften in Form von Zetteln in Nordrhein-Westfalen sammeln, um daraus eine Asphaltbibliotheque stadt.land.text zu errichten, die das Leben der Kulturregion abbildet.
Sauerland:
Justine Z. Bauer (geb. 1990) wuchs mit drei Geschwistern auf einem Bauernhof auf. Sie hat ein Diplom in Bildender Kunst der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig. Sie war nominiert für den Wortmeldungen Förderpreis 2018 und erhielt eine Einladung zur schreibwerkstatt der Jürgen-Ponto-Stiftung 2020. Zurzeit studiert sie postgradual Spielfilmregie/Drehbuch an der KHM. Das Studium finanziert sie sich durch das Ernten von Bärenklausamen im Sommer und das Arbeiten auf einer Huskyfarm im arktischen Winter, wo sie Touristen das Fahren auf Hundeschlitten beibringt. Im Sauerland will Justine Z. Bauer mit ihrem Projekt „Zwischen den Siloballen" den Landwirten und (insbesondere) Landwirtinnen eine Stimme geben und eine tragisch-komische Sammlung oder zusammenhängende Geschichte über das Leben auf dem Land in Nordrhein-Westfalen verfassen.
Südwestfalen:
Dr. Barbara Peveling (geb. 1974) lebt in Paris und Köln. Nach einem längeren Aufenthalt im Nahen Osten hat sie in Tübingen und Paris in Ethnologie und Geschichte promoviert. Ihre Dissertation wurde 2015 mit dem Manfred-Görg-Preis ausgezeichnet. Mit dem Roman „Wir Glücks-pilze“ debütierte sie 2009 beim Verlag Nagel und Kimche in Zürich. Ihr Roman „Rachid Rebellion“ erschien 2017 im Wiener Goldegg Verlag. Sie veröffentlicht in Zeitschriften, Anthologien und Onlinemagazinen und wurde mehrfach ausgezeichnet. So war sie u. a. 2006 Finalistin beim Open Mike, 2015 erhielt sie das Goldegg-Autorenstipendium und 2019 wurde ihr der Preis der Buchmesse Ried zugesprochen. In Südwestfalen will Barbara Peveling auf Feldforschung gehen, „um nach dem Besonderen zu suchen, dem Einmaligen“, nach dem, „was im Lokalen Widerstand bietet, gegen den allgemein bekannten Globalisierungseffekt, der darin besteht, dass sich die Regionen der Welt immer ähnlicher werden.“
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