"Kultur ist viel mehr als ein Standortfaktor"
Düsseldorf. Die Bücherregale in ihrem Büro sind noch leer, auf dem Schreibtisch stapeln sich allerdings längst die Akten: Isabel Pfeiffer-Poensgen hat den Umzug von Berlin nach Düsseldorf, von der Kulturstiftung der Länder zum Ministerium für Kultur und Wissenschaft, vollzogen, jetzt arbeitet sie sich in die Details ihres neuen Amtes ein.
In den nächsten Wochen wird sie viel durch NRW reisen, um Akteure und Einrichtungen kennenzulernen und sich selbst vorzustellen. Mit der aus Aachen stammenden Ministerin, die wie das gesamte Kabinett Ende Juni vereidigt wurde, sprach Hermann-Josef Delonge.
Frau Pfeiffer-Poensgen, was ist der größte Unterschied zwischen der Arbeit an der Spitze einer Stiftung und an der Spitze eines Ministeriums?
Pfeiffer-Poensgen: Da ist vor allem die schiere Größe des Ministeriums mit seinen Abteilungen und vielen kompetenten Mitarbeitern, die ich gerade kennenlerne. In der Kulturstiftung der Länder hatte ich ein kleines Team. Wir konnten dort quasi auf Zuruf Entscheidungen treffen und waren im Rahmen der Satzung sehr frei in der Gestaltung. Das funktioniert in einem Ministerium natürlich nicht so (dort arbeiten rund 350 Menschen, die Kulturstiftung hat zwölf feste Mitarbeiter plus rund zehn Projektstellen, Anm. d. Red.). Das ist ein ganz anderes Arbeiten, das mir aus meiner Zeit als Dezernentin in Aachen aber nicht fremd ist.
Sie stehen im Ruf, eher eine Gestalterin denn eine Verwalterin zu sein. Sind Sie da in der Politik richtig?
Pfeiffer-Poensgen: Meine Gestaltungsmöglichkeiten sind auch als Ministerin sehr groß. Man muss nur die Instrumente zu nutzen wissen. Das heißt: Man muss mit allen Akteuren reden und sie überzeugen.
Was war für Sie der Reiz, das Amt anzunehmen?
Pfeiffer-Poensgen: Die Anfrage von Armin Laschet kam überraschend und war für mich ehrenvoll. Da ich mich gerade in den vergangenen Jahren in grundsätzlichen Fragen in NRW sehr engagiert und teilweise auch erregt habe, fühlte ich die Herausforderung, bestimmte Bereiche künftig mitzugestalten.
Sie haben viele Vorschusslorbeeren bekommen. Damit verbunden sind natürlich auch entsprechend hohe Erwartungen. Spüren Sie Druck?
Pfeiffer-Poensgen: Da ist natürlich ein gewisser Druck, aber ich denke, ich weiß damit umzugehen. Es wird sich zeigen, ob all diese Erwartungen auch wirklich umzusetzen sind. Ich kann nur hoffen, dass ich niemanden enttäuschen werde. Aber ich bin ja schon lange in diesem Metier unterwegs und weiß, worauf ich mich einlasse. Ich besitze die nachhaltige Zähigkeit, um auch schwierige Projekte über Jahre begleiten und befördern zu können.
Ihre Ausgangsposition ist ja nicht schlecht, weil die Vorgängerregierung im Ruf stand, die Kultur stiefmütterlich zu behandeln. Und auch in der Wissenschaftspolitik gab es immer wieder Gegenwind von den Hochschulen.
Pfeiffer-Poensgen: Wir sind tatsächlich angetreten, um Vieles besser zu machen. Gerade die Kultur soll in der Landesregierung eine höhere Wertschätzung erfahren. In der Hochschulpolitik werden wir an einigen Punkten umsteuern, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können.
Können Sie schon Leitlinien formulieren?
Pfeiffer-Poensgen: Ich bin nicht der Typ, der ein fertiges Programm formuliert, ohne mit allen Akteuren gesprochen zu haben. Damit meine ich die verschiedenen Hochschulen, Einrichtungen und Institutionen im Land, aber auch meine Mitarbeiter im Ministerium. Das ist für die nächsten Wochen und Monate terminiert. Danach werde ich Ihre Frage konkreter beantworten können.
Kulturpolitik wird sehr oft auf Geld und Fördermittel reduziert. Frustriert Sie das?
Pfeiffer-Poensgen: Damit muss man umgehen, weil man auch mit dem gezielten Einsatz von Geld Kulturpolitik steuern kann. Anderseits hat ganz grundsätzlich die Fokussierung auf Geld gerade in der Kulturpolitik zur Folge gehabt, dass Kultur ständig ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen musste und instrumentalisiert wurde: als weicher Standortfaktor oder als Reparaturbetrieb für soziale Probleme. Das hat mich immer sehr geärgert. Wir müssen wieder zeigen, dass Kultur als Bestandteil des menschlichen Seins und einer städtischen Gemeinschaft ein Recht aus sich heraus hat. Das ist bei den Debatten ums Geld vollkommen in den Hintergrund geraten. Dazu gehört auch, dass wir den Kultureinrichtungen gerade in den Kommunen, die finanziell in einer schwierigen Lage sind, wieder mehr Selbstbewusstsein geben.
Aber letztlich hängt doch alles am Geld. Die Landesregierung will den jährlichen Kulturetat bis 2022 von jetzt 201 Millionen Euro um 50 Prozent erhöhen. Das ist angesichts des Gesamthaushalts verschwindend wenig. Den allergrößten Teil der Ausgaben für Kultur bestreiten die Kommunen. Was können Sie da konkret bewirken?
Pfeiffer-Poensgen: Der Kulturetat des Landes ist zweifellos immer noch viel zu niedrig. Und das Argument, dass Kultur vor allem eine Sache der Kommunen ist, trägt nicht. Aber man muss auch realistisch sein. Wir können den Etat nicht raketenhaft steigern. Die Tendenz steht, und das sollte auch nach der Legislaturperiode so weitergehen. Derzeit können und wollen wir vor allem gezielte Akzente setzen. Ganz zentral ist die Sicherung der Kulturinstitutionen in den Kommunen. Nur ein Beispiel: Der Anteil des Landes an der Finanzierung der städtischen Theater und Orchester liegt unter fünf Prozent. Das ist entschieden zu wenig. Mir ist sehr daran gelegen, dass dieser Beitrag erhöht wird. So könnte man auch die Kommunen dazu ermutigen und bestärken, diese Institutionen zu erhalten.
Wir haben in NRW eine sehr hohe Dichte an Theatern und Orchestern. Ist das zeitgemäß?
Pfeiffer-Poensgen: Der ehemalige Aachener Intendant Paul Esterházy hat es mal etwas locker so formuliert: "Was in Australien die Kängurus sind, sind in Deutschland die Theater." Die vielfältige und dezentrale Theaterlandschaft ist ein Alleinstellungsmerkmal, das müssen wir uns immer wieder ins Bewusstsein rufen. Aber natürlich stehen die Theater nicht unter Artenschutz, sie müssen sich immer wieder einem neuen Publikum stellen und es neu erobern. Aber grundsätzlich gilt: Theater gehören zur Identität einer Kommune.
Gilt das auch für die Museen?
Pfeiffer-Poensgen: Natürlich. Auch sie müssen gute Programme bieten. Öffentliche Förderung bedeutet aber nicht, dass nur noch Blockbuster-Ausstellungen angesagt sind und alles massenkompatibel sein muss. Das können private Einrichtungen viel besser. Wir brauchen Angebote, die Geist und Seele ansprechen. Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen sind Bildungseinrichtungen.
Und wo bleibt die freie Szene?
Pfeiffer-Poensgen: Der Streit ums Geld zwischen freier Szene und öffentlichen Kultureinrichtungen ist schon ein Klassiker. Selbstverständlich muss es beides geben. Es gibt schon jetzt eine Reihe von Projektförderungen – auch des Landes. Und auch hier kann ich die Kommunen nur ermutigen und auffordern, die Unterstützung beizubehalten.
Sie werden in den Kommunen also nicht mit dem prall gefüllten Geldkoffer aufschlagen, aber doch mit einigen Fragen und Anregungen. Dabei hilft mit Sicherheit, dass Sie sich selbst als Nervensäge sehen.
Pfeiffer-Poensgen: Das muss man sein. Man muss dranbleiben und Prozesse langfristig begleiten. Das ist anstrengend, aber notwendig.
Die schon zitierten Vorschusslorbeeren für Sie beziehen sich vor allem auf die Kultur. Auch wenn Sie als Kanzlerin der Musikhochschule Köln Erfahrungen auf dem Gebiet der Hochschulpolitik sammeln konnten: Sie haben es in NRW mit herausragenden Wissenschaftseinrichtungen zu tun. Ist das eine besondere Herausforderung?
Pfeiffer-Poensgen: Das wäre es für jeden Amtsinhaber oder jede Amtsinhaberin – bei der Vielzahl an starken und herausragenden Hochschulen hier in NRW. Zentral steht der Wettbewerb um die besten Köpfe bei den Lehrenden und den Studierenden. Die Hochschulen stehen ja nicht nur in einem nationalen, sondern in einem internationalen Wettbewerb. Wir müssen schauen, wie wir die Rahmenbedingungen dafür weiter verbessern können. Auch hier werde ich intensive Gespräche führen.
Sind Studiengebühren für Studierende aus Nicht-EU-Ländern da der richtige Weg?
Pfeiffer-Poensgen: Das ist in der Koalitionsvereinbarung so festgelegt. Wir haben den Vorteil, dass Baden-Württemberg dieses Modell bereits zum Wintersemester einführt. Wir werden uns in Ruhe anschauen, welche Konsequenzen das dort hat. Selbstverständlich muss dann begleitend das Angebot an Stipendien ausgebaut werden. Das ist auch so geplant. Die internationale Erfahrung zeigt, dass das Modell so funktionieren kann. Aber dass dies eine schwierige Diskussion wird, ist mir bewusst.
Die FDP hat ausgerechnet, dass den Hochschulen in NRW jährlich 100 Millionen Euro fehlen. Das Land muss also Geld in die Hand nehmen.
Pfeiffer-Poensgen: Der Landeshaushalt ist nicht unbegrenzt; es sind schließlich Steuergelder, über die wir hier sprechen. Aber gut begründete Programme für die Hochschulen werden selbstverständlich mein Thema sein. Dafür muss ich Überzeugungsarbeit beim Finanzminister und im Parlament leisten. Welchen Beitrag die Studiengebühren dazu leisten können, müssen seriöse Untersuchungen zeigen.
Ein Streitpunkt zwischen Hochschulen und rot-grüner Landesregierung war die Frage der Autonomie. Im Koalitionsvertrag steht, dass diese wieder gestärkt werden soll. Was bedeutet das konkret?
Pfeiffer-Poensgen: Die Details werden wir im Gespräch erarbeiten, aber für mich ist die Autonomie der Hochschulen eine zentrale Leitlinie. Wir haben das Vertrauen, dass die Hochschulen ihre Aufgaben von der Ausbildung der Studierenden bis zur Forschung in eigener Verantwortung am besten erfüllen können. Dort arbeiten viele kompetente Leute, die ganz genau wissen, was sie tun.
Werden wir Sie in Ihrer neuen Funktion auch in der Aachener Region wieder öfter sehen?
Pfeiffer-Poensgen: Selbstverständlich. Im Theater, in den Museen, vor allem aber auch in den Hochschulen. Ich freue mich darauf.
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